Hinzu kommt, dass die bis 1993 um Gütersloh eingesetzten Messgeräte sehr kurz hinter- einander überfliegende Jets nicht getrennt wahrnehmen konnten. Eine überfliegende For- mation von Flugzeugen wurde immer als Einzelereignis registriert, da die Instrumente der Fluglärmgegner auf den Messbereich von Wochen und Monaten justiert waren, um den Pa- pierverbrauch der Datenschreiber zu begrenzen; andernfalls hätte man die Stationen täglich kontrollieren und die damals eingesetzten Messblätter in kürzesten Abständen wechseln müssen.
Es gehörte aber zum regulären Trainingsprogramm, insbesondere simulierte Tieffliegerangriffe auf die Heimatbasis auch in Formationen von 2, 4 oder sogar mehr Jets zu fliegen. For- mationsflüge dieser Art gehörten zum Standard-Ausbildungsprogramm aller NATO-Piloten. Bei Tiefflugangriffen konnte in solchen Formationen geflogen werden, um die Waffenwirkung zu bündeln. Entsprechend wurde dieses Flugmanöver regelmäßig bei Scheinangriffen auf die Heimatbasis trainiert. Die Jets einer solchen Formation überflogen die Messstation zeitlich und räumlich nur derart geringfügig versetzt, dass sie von den Geräten als Einzelereignis registriert wurden, obwohl sie für die Anwohner unzweifelhaft als Mehrfachereignisse wahr- nehmbar waren, zumal die geschlossene Formation häufig erst kurz vor dem "Angriffsziel" gebildet wurde.
Hinzu kommen die sogenannten Formationsstarts und -landungen; dabei starten bzw. landen zwei Jets nebeneinander. Die Maschinen fliegen dabei auch etwas versetzt. Derartige Über- flüge werden von Beobachtern zwar als überdurchschnittlich laute "Doppelschläge" wahrge- nommen, aber die eingesetzten Messgeräte registrieren nur ein einziges Lärmereignis, dies allerdings als besonders laut (weitere Details dazu s. Kap. 6). Da derartige Formationsstarts und -landungen zum Standard-Ausbildungsprogramm für NATO-Flieger gehören, darf eine er- hebliche "Dunkelziffer" nicht (bzw. nur einfach) registrierter Lärmereignisse postuliert werden.
Aus den genannten Gründen darf daher geschlossen werden, dass die Zahl der tatsächlichen Überflüge in Gütersloh erheblich größer war als die Zahl der gemessenen Lärmereignisse.
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Senkrechtstarter
in Aktion. Der Harrier steht in der Luft, bevor er mit dem Landevorgang
be- ginnt. Der Abgasstrahl zeigt, dass die Trieb- werke höchste
Leistung liefern; der Lärm bei solch einer Landung ist
infernalisch. Da der Harrier aus allen Richtungen einfliegen bzw.
in alle Richtungen abfliegen kann, ist eine Erfassung sämtlicher
Flugbewegungen dieses Flugzeugtyps durch Messgeräte in der
Einflugschneise nicht möglich.
Foto: RAF, ohne Jahr
Formation von vier Jets der 2. Sqn. aus Laarbruch. Vorne zwei neue "Jaguar"-Jets, dahinter zwei "Phantom", die kurz danach ausgemustert wurden.
Die zeitlichen und räumlichen Abstände bei Überflügen derartiger Formationen waren so gering, dass die für Langzeitstudien justierten Messgeräte nur einen Überflug und damit nur ein "Lärmereignis" registrieren konnten.
Foto: RAF Laarbruch, 1976
Neben Formationsstarts gab es auch Formationslandungen. Diese erforderten besondere Präzision, um Kollisionen zu vermeiden. Bei der kleinsten Abweichung erfolgte Abbruch und Durchstart. Dies konnte sich mehrfach wieder- holen, bis das Manöver gelang. Abgebrochene Landungen wurden von der RAF nicht offiziell gezählt. Im Bild zwei Tornados (16. und 2. Sqn.) bei der Landung. Laarbruch 1991. Foto: Jürgen Knizia.
Im Bild zwei Harrier der 3. Sqn. bei der Landung auf Laarbruch. Das gleiche Manöver wurde von denselben Maschinen bis 1992 regelmäßig in Gütersloh trainiert.
Foto: Ron Kellenaers, 1995.