8.
Flugzeiten und Wochenende (Phase II)
Da aus den bereits dargelegten Gründen seit 1992 nur noch 6 bis 8
einsatzbereite Jets zur Verfügung standen, reduzierte sich deren
Flugbetrieb wochentags quantitativ auf ein Viertel der für Phase
I nachgewiesenen Werte. Hinzu kommen die Einsätze der
Hubschrauber. Wegen des häufigen Austausches der auswärts
stationierten Harrier und Hubschrauber kam es jedoch zu einer
überproportionalen Belastung am Wochenende. Verlegungen fanden
außerhalb des regulären Dienstplanes vorrangig samstags oder
sonntags statt. Da damit auch eine Verlegung des Bodenpersonals
verbunden war, kamen am Wochenende sehr häufig Truppen- und
Materialtransportflugzeuge zum Einsatz.
Obwohl
auf Laarbruch in der Phase II
nur noch halb so viele Kampfjets stationiert waren wie vor 1992, nahm
die Zahl der Verlegungen und damit die Wochenendbelastung erheblich zu.
Dies hatte verschiedene Gründe.
Zunächst
war für den "Harrier", der von 1992 bis 1999 auf Laarbruch
stationiert war, wesent- lich mehr Bodenpersonal notwendig, da es sich
um einen höchst komplizierten, technisch überaus
anspruchsvollen Flugzeugtyp handelt. Dies führte vor der
Einleitung des Abzuges der RAF aus Laarbruch (1995) sogar dazu, dass
für das Personal zeitweise Wohnungen in Duisburg angemietet werden
mussten, da die vorhandenen Kapazitäten in Weeze und Goch nicht
mehr ausreichten. Ferner standen jetzt ständige Verlegungen in
kleinen Einheiten auf dem Programm. So wurden etwa im Rahmen des
Jugoslawienkonfliktes oder für den Einsatz im Nordirak mehrere
Teams mit je 4 Jets gebildet, die an verschiedenen Standorten statio-
niert wurden. Für die technische Unterstützung der einzelnen
kleinen Einheiten war aber je- weils eine komplette "Grundausstattung"
notwendig, was insgesamt mehr Personal notwen- dig machte. Der deutlich
höhere Personalbedarf erforderte wesentlich mehr Transporte und
verursachte damit eine größere Belastung durch Flüge am
Wochenende.
Hinzu
kommt, dass mit der Auflösung des Warschauer Paktes die Fixierung
auf eine einzige Hauptaufgabe, nämlich den potentiellen Aggressor
in Schach zu halten, wegfiel. Stattdessen kamen die Jets aus Laarbruch
in der Phase II auf fast
allen militärischen Schauplätzen mit RAF-Beteiligung zum
Einsatz, ob im Zusammenhang mit den Konflikten um Jugoslawien und dem
Irak, oder bei Übungen in den USA, auf den Falklandinseln, Belize,
Chile, Kanada oder sogar auf den Flugzeugträgern der Royal Navy;
überall waren die Harrier aus Weeze anzutreffen, ständige
Rotation von Personal und Material in kurzen Zeitabständen war
gefor- dert. Im Zusammenhang damit kam es zu zahllosen Verlegungen auf
RAF
Laarbruch, was an Wochenenden zu einer außerordentlichen
Belastung der Anwohner
führte,
da die Trans- porte von Mensch und Material in der Regel samstags oder sonntags stattfanden, um den regulären Flugablauf an den übrigen Wochentagen nicht zu beeinträchtigen.
Für Laarbruch hat die RAF keine konkreten Zahlen über den Umfang der Verlegungen an den Wochenenden in den 90er Jahren vorgelegt. Allerdings gibt es Daten für RAF Brüggen, dem neben Laarbruch letzten und etwa gleich großen Flugplatz der Royal Air Force in Deutsch- land. Da Brüggen in den 90er Jahren in vergleichbarem Umfang an den diversen RAF-Aus- landseinsätzen beteiligt war wie Laarbruch, lassen sich die Zahlen für Weeze zuverlässig ab- leiten. Ein Beispiel: Im Dezember des Jahres 1995 erfolgte im Rahmen der NATO-Operation "Resolute" eine Verlegung von RAF-Einheiten aus Brüggen nach Jugoslawien. Dabei wurden 570 Soldatinnen und Soldaten, 256 Fahrzeuge und weitere 830 Tonnen Ausrüstungsgüter transportiert. Bis Zum Januar 1996 sind sogar 4300 Personen befördert worden. Für die Transporte im Dezember 1995 waren allein 150 Flüge mit Maschinen des Typs "Hercules" notwendig (Quelle: Royal Air Force Germany since 1945, by Bill Taylor, Hinckley 2003, S. 174). 78% der Flüge fanden samstags oder sonntags statt, also 117 an der Zahl. Da über zwei Wochenenden geflogen wurde, ergeben sich daraus knapp 30 Flüge pro Wochenend- tag. An- und Abflug gerechnet, ergibt dies eine Belastung von annähernd 60 Flugbewegun- gen/Tag am Wochenende im Rahmen einer einzigen Übung. Die Zahlen für RAF Laarbruch dürften sogar noch darüber gelegen haben, da der "Harrier" - wie geschildert - überdurch- schnittlich material- und personalintensiv war. Dies führte zeitweise sogar dazu, dass die RAF die Verlegungen mit den eigenen Transportern nicht mehr bewältigen konnte und die US-Luftwaffe (USAF) aushelfen musste; im Rahmen der UN-Einsätze in Bosnien kamen im Juli 1995 beispielsweise schwere USAF-Transporter vom Typ C-141 "Starlifter" zum Einsatz, um das 1. RAF Regiment samt Ausrüstung von Laarbruch ins ehemalige Jugoslawien zu verlegen (Quelle: Taylor, a. a. O., S. 174).
Dies alles belegt,
dass die Wochenendbelastung in den 90er Jahren (Phase II)
zeitweise sogar deutlich höher lag als heute; am Flughafen Weeze
werden gegenwärtig etwa 40 Flug-bewegungen/Tag abgewickelt,
während es zu RAF-Spitzenzeiten während der Phase II
bis zu 60 Flugbewegungen/Wochenendtag waren (Stand: Oktober 2004, noch
mit VBird- Anteil).
Die
für den regelmäßigen Pendeldienst sowie bei Verlegungen
vorwiegend eingesetzten Ma- schinen waren besonders lärmintensiv
und verursachten damit eine besondere Belastung der Bevölkerung.
Zum einen handelte es sich um die C 130 "Hercules", eine viermotorige
Turbo- propmachine, zum anderen um die Vickers VC 10, einen
vierstrahligen Düsenjet. Beide Transporter sind ältere
Flugzeugmuster aus den 60er Jahren. Bei den Weezern waren diese Flieger
nicht nur deswegen besonders unbeliebt, weil sie extrem laut und
"dreckig" waren, sondern besonders auch deswegen, weil sie vorzugsweise
dann einschwebten bzw. ein-schweben mussten, wenn kein
Ausbildungsbetrieb der Jagdbomber stattfand. Abends, nachts, am
Wochenende oder an Feiertagen kamen die lautstarken Besucher, die
Material, Personal oder auch nur hochrangige Militärs
transportierten.
Zur Versorgung der in Deutschland verbliebenen britischen Truppen
fliegt die RAF mit den genannten Flugzeugtypen heute noch die
internationalen Flughäfen Düsseldorf und Hannover an. Obwohl
dieser aktuelle Pendeldienst längst nicht mehr so intensiv ist wie
zu Zeiten der RAF auf Laarbruch, richten sich die Beschwerden der
dortigen Flughafengegner bezeichnen- derweise besonders gegen diese
Besucher.
Wegen des zunehmenden Ärgers mit den Anwohnern der genannten zivilen Airports erwägt das britische Verteidigungsministerium gegenwärtig, den ehemaligen RAF-Flughafen Güters- loh zu reaktivieren (Stand Oktober 2004). Dies untermauert eindrucksvoll, dass den An- wohnern der genannten Zivil-Flughäfen der vergleichsweise geringe RAF-Flugbetrieb bereits zu viel ist. Es lässt sich daher leicht ausmalen, um wieviel intensiver und damit belastender der Flugverkehr zu den "besten Zeiten" auf Laarbruch war, gerade auch am Wochenende.
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Im Juli
1995 wurden große Teile des „RAF Regiment“ Laarbruch nach
Ploce/Kroatien verlegt. Da die Kapazitäten der RAF dafür
nicht mehr ausreichten, kamen Transporter
der US-Luftwaffe (USAF) vom Typ C-141 „Starlifter“ zum
Einsatz. Im Bild ein USAF „Starlifter“, der am Wochenende auf Laarbruch
landet, um Material des „RAF Regiment“ aufzunehmen.
Laarbruch, Sonntag, 9. Juli 1995
Foto: RAF Laarbruch
Anfang
des Jahres 1999 wurden 4 Harrier der
3. Sqn. aus Laarbruch nach Gioia del Colle in Italien verlegt. Von hier
aus nahmen sie im Rahmen der NATO-Operation "Allied Force"
am Kosovo-Krieg teil. Im Bild Jets und Boden- personal der RAF
Laarbruch
im Einsatz.
Goia del Colle, März 1999.
Foto: RAF
Nach
Bekanntgabe des Schließungsbeschlusses für die RAF Airbase
Laarbruch begann 1994 die sukzessive Rückführung von Mensch
und Material nach Großbritannien. Intensiver Transportverkehr war
die Folge, häufig mit der VC 10. Im Bild eine der letzten
RAF-Maschinen (10. Sqn.), die auf Laarbruch landete. Deutlich erkennbar
die Abgasfahne; der Lärm der Maschinen war infernalisch.
Foto: RAF Laarbruch, 30. Mai 1999.